Structured Hand Analysis (SHAL) – zu deutsch Strukturierte Hand Analyse – ist eine Methode, mit welcher der erwartete Gewinn einer bestimmten Situation errechnet werden kann, in dem man die möglichen Starthände (die so genannte ‹Hand Range›) des Gegners und deren Verteilungshäufigkeit beizieht und gewichtet. Dies mag kompliziert klingen, ist aber anhand von Beispielen relativ einfach zu erklären. Zuerst müssen wir uns jedoch mit der Theorie beschäftigen:
Pokern ist ein Spiel von unvollständigen Informationen. Man kennt nur seine eigenen Karten, nicht aber diejenigen des Gegners. Anhand des Setzverhaltens kann man die verschiedenen möglichen Kartenkombinationen des Gegners höchstens eingrenzen, aber nicht genau ermitteln. Von Anfängern und auch leicht fortgeschrittenen Spielern hört man Sätze wie: «Mein Gott, er hat All-in gepusht. Keine Ahnung ob er AA, KK oder AK hatte, ich habe auf jeden Fall mein QQ gepasst.»
Um in ähnlichen Situationen nicht aus Angst vor AA oder KK blind zu folden, sondern langfristig profitable Entscheidungen treffen zu können, wurde SHAL entwickelt. Der Name SHAL wurde von Dan Harrington im Band Harrington on Hold’em 2 erstmals verwendet. Dan Harrington hat SHAL zwar den Namen gegeben, war aber wohl nicht der erste Pokerprofi, der sich mit dieser Methode beschäftigt hat.
Um die Theorie von SHAL aufzuzeigen verwenden wir obiges Beispiel. Der Anfänger hat QQ. Er scheint überzeugt zu sein, dass sein Gegner AA, KK oder AK in der Hand hält (Hand Range AA, KK oder AK), weiss aber nicht genau, welche dieser Hände. Bei SHAL geht es nun darum, die Odds zu berechnen, die man auf die Dauer bei einem Call hat. Gegen AA hat QQ eine Equity von 18.453%. Die Siegwahrscheinlichkeit von QQ gegen AA liegt zwar nur bei 18.24%, aber die Split Pot Wahrscheinlichkeit muss für die Ermittlung der Equity eingerechnet werden, deshalb ist dieser Wert etwas höher. Gegen KK liegt die Equity von QQ bei 18.065%. Gegen AKs (mit s = suited, also von gleicher Farbe) ist die Equity 53.951%. Gegen AKo (o = off suit, von ungleicher Farbe) liegt die Equity von QQ bei 56.758%.
Der Anfänger würde jetzt alle vier Werte zusammenzählen und dann den Durchschnitt berechnen, somit würde die Equity gegen AA, KK oder AKs/AKo bei 36.81% liegen. Diese Überlegung ist jedoch aus folgendem Grunde falsch. In einem Deck von 52 Spielkarten gibt es 1’326 verschiedene Starthände. Von AA gibt es sechs verschiedene Kombinationen. Von KK ebenfalls. Von AKs gibt es jedoch nur vier verschiedene Kombinationen. Von AKo gibt es ganze zwölf verschiedene Kombinationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dein Gegenspieler AKo hält, ist also doppelt so hoch, wie dass er AA hält. Dies muss bei SHAL mit einbezogen werden.
Um nun die echte Equity von QQ gegen AKo, AKs, KK oder AA zu berechnen, machen wir eine kleine Tabelle:
Hand des Gegners | Anzahl Hände | Equity QQ | Equity QQ gewichtet |
---|---|---|---|
AA |
6 |
18.453% |
110.718% |
KK |
6 |
18.065% |
108.390% |
AKs |
4 |
53.951% |
215.804% |
AKo |
12 |
56.758% |
681.096% |
Total |
28 |
39.857% |
1'116.008% |
Aus der Tabelle entnehmen wir, dass die gewichtete Equity bei 39.857% liegt, also höher als bei obiger Annahme, da waren es 36.81%. Sind die Pot Odds nun kleiner, als die 39.857%, so kann bei einem Cashgame mit gutem Gewissen gecalled werden. Bei Turnieren ist die Geschichte etwas komplexer, dazu gibt es mehr Informationen bei den Links weiter unten auf dieser Seite.
Übrigens, die Anzahl Kartenkombinationen und die Equity haben wir mit einem tollen Tool Namens Pokerstove gemacht. Dieses Werkzeug ist perfekt geeignet, um im stillen Kämmerchen über verschiedene Pokersituationen zu brüten. Das tolle daran ist, dass dieses Werkzeug die Equity gewichtet, wenn man mehrere mögliche Kartenkombinationen berechnen lässt. Die Erstellung von eigenen Tabellen, wie wir es oben vorgeführt haben, ist somit unnötig.
So, jetzt aber genug Theorie. Anhand von Beispielen soll nun aufgezeigt werden, wofür SHAL eingesetzt werden kann. Die Beispiele sind nicht abschliessend. Der wahre Poker Fan wird selber noch über dieser Theorie weiterbrüten.
Um das Thema zu vertiefen, haben wir mehrere Artikel mit Anwendungsmöglichkeiten von SHAL geschrieben:
Wir verwenden im Artikel meist den Begriff ‹Structured Hand Analysis›. Einige der vorgestellten Bereiche würde man aber eher dem ‹Hand Distribution Model› – kurz HDM – von Tony Guerrera zuordnen. Die beiden Konzepte sind dermassen nahe beieinander, dass wir uns für das etwas bekanntere ‹Structured Hand Analysis› entschieden haben. Beim HDM beschäftigt sich Guerrera intensiv mit der Anzahl möglicher Kartenkombinationen (Sprich: mögliche Hand Range des Gegners) in Situationen am Flop, Turn usw. Wer sich in der Theorie damit beschäftigen möchte, dem empfehlen wird das Pokerbuch Killer Poker by the Numbers von Tony Guerrera.